Bedingungslos

Er erinnerte sich als er es das erste Mal ausgesprochen hatte. Das erste Mal in seinem Leben: „b e d i n g u n g s l o s“ und „L i e b e“

Er hatte ihr in die Augen gesehen und gesagt, dass er sie liebe, bedingungslos liebe.
Er hatte sich das nicht vorgenommen. Es war, als wollte sich eine Botschaft, die schon lange in ihm war, Gehör verschaffen und endlich ausgesprochen werden. Als wollte etwas Raum greifen in ihm und sich zeigen.
Es war ein Eingeständnis, das bislang noch nicht stattgefunden hatte und in dem das Wort „bedingungslos“ noch nicht vorgekommen war.
Jetzt stand er ihr gegenüber … sah ihr in die Augen … und ließ es geschehen …
Er musste es geschehen lassen … es war gar nicht anders möglich … er war jetzt bereit, es endlich auszusprechen … „bedingungslos“ und „Liebe“.

Und noch während er es aussprach spürte er wie stark und machtvoll es war … und zugleich, wie sehr er sich damit auslieferte … sich vollkommen schutzlos machte.
Auch wenn er damals die Bedeutung des Wortes „bedingungslos“ in seiner ganzen seelischen Tragweite nicht greifen konnte, so spürte er doch das Gewicht, das es mit dem Aussprechen bekam. Und das Gewicht blieb bestehen. Es war geradezu physisch geworden. War Haltung geworden. Innere Haltung. Die innere Haltung der Bedingungslosigkeit hatte etwas Physisches. Etwas Aufgerichtetes. Im Inneren und im Äußeren aufgerichtet und schutzlos … schutzlos und nackt … und trotz seiner Schutzlosigkeit kraftvoll und stark zugleich.
Jetzt hatte er ein Bekenntnis abgelegt … ein Bekenntnis der Bedingungslosigkeit seiner Liebe … und das Bekenntnis gründete im Inneren … es gründete in der Erkenntnis der ureigensten Natur der Liebe … dass die Bedingungslosigkeit in der Liebe verankert ist …
… und dass es die Liebe ohne Bedingungslosigkeit nicht gibt.
Damals konnte er die Dimension seiner Aussage nicht wirklich fassen, aber er spürte, dass er bereit war, sich an die Außengrenze seiner Liebe zu wagen. Er hatte mit seinem

Bekenntnis eine Schwelle überschritten und war bereit, einen bis dahin unbekannten inneren Raum zu betreten … einen Raum der unerschlossen vor ihm lag …
Auch wenn er sich aus Angst in seinem bisherigen Leben dem nicht gestellt hatte … jetzt war er bereit, sich gänzlich aufzurichten und sich der Begegnung mit der Liebe zu stellen …

Postscriptum:
Die Worte „Ich liebe Dich bedingungslos“ werden von Herzen kommend gesprochen … der Verstand kann die Aussage: „Ich liebe Dich bedingungslos“ erst durch die darauf folgende Erfahrung erfassen … im Nachgang sozusagen … er muß dem Herzen folgen um es begreifen zu können … umgekehrt ist es unmöglich …
Ein Verstand der die Worte: „Ich liebe Dich bedingungslos“ spricht … und dann erst das Herz ins Spiel kommt??? … Nein, dass ist wirklich unvorstellbar!