
Die Nacht stellt keine Fragen
6. Dezember 2025
Hannah
6. Dezember 2025Ein Weihnachtsmärchen
Es geschah vor über zweitausend Jahren. Da suchten Ulla und Manfred nach einer Herberge. Es war Hochsaison. Alles war ausgebucht und keiner wollte das Risiko einer unkontrollierten Hausgeburt in seiner Ferienwohnung eingehen.
Da fanden sie einen Stall.
Und so geschah es, dass Ulla eine Tochter gebar.
Und die Hirten auf dem Felde sahen staunend gen Himmel, geblendet vom hellen Schein.
Und die Göttin schickte Engel herab, die den Hirten den Weg wiesen.
In den Stall von Buxtehude, zu den freilaufenden Eseln, Kühen und Ziegen.
Und sie sahen das Mädchen in der Wiege. Lieblich und schön.
Der Mann sei des Weibes Untertan. So hatte es ihnen die Göttin von Urzeiten an befohlen.
„Befehl ist Befehl“, sagten die Männer.
Und auch die Frauen hielten sich daran. Sie hatten ja schließlich ihren Vorteil.
Und so war es fortan. Die Geburt eines Sohnes, eines schlichten Befruchters, wurde in den Familien oft als Schmach empfunden.
Lieber hätten die Eltern eine Platzhalterin bekommen. Eine Tochter, eine von der Göttin gewollte Thronfolgerin. Oder Stammhalterin. Denn im Gegensatz zum Manne war die Frau zum Stämme halten geboren. Das Stammhalten des Mannes diente lediglich der Selbstbefriedigung und war somit in keinster Weise der Menschheit dienlich.
Und auch Jahrtausende später war es noch so. Die Männer verdienten für dieselbe Arbeit weniger als die Frauen. Die Frauen dominierten als Aufsichtsrätinnen die DAX-Konzerne, das Managements und die politischen Eliten. Auch der Ruf nach einer Männerquote blieb von den Frauen belächelt. Denn, wenn ein Mann es wirklich wollte und vor allem könnte … dann … würde ihm ja schließlich nichts im Wege stehen.
Die Frauen waren das von der Göttin gewollte, starke Geschlecht. Und der Mann war von Natur aus und auch im göttlichen Sinne, nur ein schlichter Diener und Arbeitsmensch und zum Dank durfte er noch die Rolle des lustvollen Befruchters ausfüllen.
Selbst in den Weltkirchen und Weltreligionen war es den Männern untersagt, Kirchenfürstinnen, Päbstinnen, oder selbst Pfäffinnen zu werden.
Sie durften zwar im Männerbund der Kirchengemeinde ihre Arbeitskraft und ihr Tun zum Gemeinwohl anbieten, oder in der Männergruppe der CSU ihre politischen Kaffeekränzchen halten und auf dem Weihnachtsmarkt Selbstgebackenes für einen guten Zweck feilbieten. Aber selbst das publikumswirksame Kreuze aufhängen in den Schulen war nur den Frauen vorbehalten. All das hatte strategische Bedeutung, um die Männchen klein zu halten um die Macht der Frauen nicht zu gefährden.
So war es schon im Paradies gewesen. Des Mannes Penis sei des Weibes Untertan.
Ulla hatte sich schon im Paradies gewünscht, neben gutem Sex auch ein wenig geistige Erbauung und Erkenntnisbringendes mit Manfred zu teilen. Diese Ergänzung aus intellektuellen und erotischen Qualitäten fand sie besonders anziehend und sexy. Und da es im Paradies nur Manfred gab, tat sie ihr Bestes.
Sie strebte nach erotischer Erfüllung genauso wie nach geistiger Nahrung und Erkenntnisgewinn. Sie wollte mit Manfred auch mal über Schiller und Goethe, über die griechischen Philosophen, die Römer, Cleopatra und Helene Fischer, Voltaire und Helmut Kohl, oder über Einstein und Christian Lindner reden. Und so war es ein großes Glück, dass die Göttin den Baum der Erkenntnis direkt ins Zentrum des Paradieses gepflanzt hatte.
Den Baum der Erkenntnis, in dessen Schatten es sich gut fögeln liess und nach dem erotischen Genuss und dem Verzehr der nahrhaften Früchte, ebenso gut philosophiert werden konnte.
Da war es nur von Vorteil, dass auch die von der Göttin geschaffen Schlange das Paradies besiedelte. Symbolisch war ihr die Heilung, die Weisheit und die Kraft der Erotik zugesprochen. Völlig uneigennützig bot sie sich Ulla als göttliche Helferin an und reichte ihr eine pralle, vollreife Melone, die sie gerade vom Baum der Erkenntnis gepflückt hatte. Und so geschah es, dass Ulla die Frucht mit einem kräftigen Hieb ihrer Machete teilte und Manfred aufforderte, mit ihr von dem köstlichen Fruchtfleisch zu naschen. Ein wenig enttäuschend war es dann doch. Denn bei Manfred zeigte sich auch Tage später keine nennenswerte Wirkung. Er blieb weiterhin auf dem Entwicklungsstand des allzeit bereiten, paarungswilligen Männleins stehen. Und weil er in den paradiesischen Zuständen
keinerlei Motivation für Entwicklung und geistiges Wachstum verspürte, entschied sich die Göttin zu einem schmerzlichen Schritt. Sie war gekränkt ob ihrer Schöpfung und der Erkenntnis, dass es sich beim Manne um ein schwaches, ja auch geistig schwaches Geschöpf handelte. Denn sie erkannte, dass selbst die Speisung vom Baum der Erkenntnis nicht zum Erfolg führte und entschied, sie aus dem Paradies in die Wirklichkeit der irdischen Welt zu entlassen. Das sollte die Strafe sein, die ihrer Meinung nach Manfred verdient, aber in die dummerweise auch Ulla hineingezogen war.
Der Narzissmus der Göttin übersah das, verdrängte den eigenen Entwicklungsfehler ihres männlichen Prototyps und projizierte Schuld und Sünde auf ihn. Zur Strafe sollten fortan die Übernahme der Haus- und Küchenarbeit, die Erziehung der Kinder und die Kirchenbesuche seine Bestimmung sein. Zur Belohnung durften Männer, die ihren Kü-Ki-Ki-Job anstandslos ausführten, den gelegentlich anfallenden Akt der Befruchtung ausführen. Allerdings war dieser an das Ziel einer erfolgreich ausgetragenen Schwangerschaft gekoppelt.
Aber etwas anderes entschied die Göttin auch. Sie wollte den Entwicklungsvorsprung Ullas nicht von einem entwicklungsresistenten Männlein bedroht sehen. Und so sprach sie in die endlosen Weiten des Universums die Worte: „Der Mann sei des Weibes Untertan.“
Und so blieb es über Jahrtausende lang, bis heute bestehen. Die Gläubigen befolgten die Weisung der Göttin. Und selbst im demokratischen Bundestag, bestimmen die Frauen auch heute noch über das Selbstbestimmungsrecht der Männer.
Die über Generationen hinweg auf zahllosen Demonstrationen wiederholten Schlachtrufe „Mein Schwanz gehört mir“ verhallten in den Ohren der Frauen und der über allem stehenden Göttin. Befruchten Ja, Mit-Bestimmen Nein!
Und dabei hatte alles so einfach angefangen.
Es war schon damals allgemein bekannt, dass der präsenile Manfred schon lange keinen mehr hoch bekam. Und so war die Mär von der unbefleckten Empfängnis ganz schnell im Umlauf. Ulla wusste es zwar besser, schließlich war sie dabei gewesen, aber so ein weltweit einzigartiges Alleinstellungsmerkmal schmeichelte ihrem weiblichen Narzissmus.
Und so behielt sie ihr Geheimnis für sich.
Das am Ende ihre Tochter verraten und ans Kreuz genagelt wurde und dieses Opfer als von der Göttin gewollter göttlicher Liebesbeweis dargestellt wurde, ist traurig. Aber so ist nun einmal die Geschichte. Die Macht der Frauen hat ihren Preis. Und das die Erfolgsgeschichte bis heute andauert, spricht ja eigentlich für sich.
P.S.:
Damit die Schäflein auch über Jahrtausende bei der Stange blieben, wurden sie jeden Sonntag in die Kirche eingeladen, um von ihrem Fleisch zu essen und von ihrem Blut zu trinken. Wirkte zwar irgendwann ein wenig unappetitlich und sehr archaisch und irgendwie aus der Zeit gefallen. Vor allem fühlten sich VeganerInnen und VegetarierInnen diskriminiert. Aber ansonsten war gegen die Vorstellung ein saftiges Steak vom Nacken von Ullas Tochter oder von ihrer Hüfte zu verzehren und ein Glas süffigen Rotwein-Blutes zu trinken, nichts einzuwenden.
Also:
Frohe Weihnacht!
Feiern wir das Fest der Liebe!
